29.01.2021

Gastrogeflüster: Veganismus

Zum Abschluss unseres veganen Januar-Schwerpunkts lassen wir im Rahmen eines “Gastrogeflüsters” noch einmal fünf spannende Persönlichkeiten aus der Branche zu Wort kommen. 

“Die Zahl unserer Mitglieder als auch die Laufmeter im Supermarkt wachsen jährlich!”

© Vegane Gesellschaft Österreich

Felix Hnat, Obmann Vegane Gesellschaft Österreich - VEGAN.AT und Organisator des Streetfoodfestivals Veganmania

Was sich in den letzten Jahren am veganen Markt abgespielt hat, hat meine kühnsten Träume übertroffen. Es gibt keinen Sektor in der Wirtschaft, geschweige denn in der Gastronomie, der so dynamisch gewachsen ist. Laut Statistik Austria sinkt der Fleischkonsum momentan jährlich um ein Kilogramm pro Person und Jahr und für 2020 wird es durch den Wegfall des Außer-Haus-Marktes sogar noch mehr sein. Die Zahl unserer Mitglieder als auch die Laufmeter im Supermarkt wachsen jährlich ca. um 25 Prozent und das seit über sieben Jahren. 2020 war sowieso ein Trumpfjahr - laut Nielsen sind z.B. in den USA während des ersten Lockdowns Sojamilchverkäufe um 400 Prozent hochgegangen. Wir freuen uns total, dass jetzt auch NÖN veganen Kakaodrink und Schärdinger Haferdrink anbieten. Der deutsche Fleischriese Rügenwalder Mühle verkauft inzwischen mehr vegane Schinkenspicker (eine Wurstsorte) als das Original aus Fleisch. Das muss man sich mal auf der Zunge zergehen lassen!

Für die Zukunft erwarte ich mir ähnliche Wachstumsraten - treibende Kraft werden weiterhin die Flexitarier sein (also ca. 54 Prozent der Österreicher, die weniger Fleisch essen wollen). Beyond Meat will 2025 Preisparität erreichen und ab dem Zeitpunkt wird es Fleisch aus Tieren am Markt sehr schwer haben. Ich hoffe, dass auch die österreichische Landwirtschaft das Potenzial erkennt - heimische Hersteller wie Vegini sind händeringend auf der Suche nach lokalen Erbsenlieferanten. Mehr zur Marktentwicklung gibt es auf unserem Blog.  

“In diesem Ausmaß birgt die Intensivtierhaltung Risiken, für die zukünftige Generationen teuer bezahlen werden!”

Niko Rittenau, Ernährungswissenschaftler

Die COVID-Pandemie hat uns einen ersten kleinen Vorgeschmack darauf gegeben, mit welchen Problemen die „Nutztierhaltung“ auch abseits der ethischen und ökologischen Folgen einhergehen kann. Diesmal stammte das Virus aus dem Wildtiermarkt, aber Virologen und weitere Experten warnen seit Jahren davor, dass noch verheerendere Pandemien in der industriellen Intensivtierhaltung auf uns warten. Für jede Person, die sich mit diesem Thema beschäftigt kam COVID nicht besonders überraschend und dennoch sprechen wir medial kaum darüber, wie wir kommenden Pandemien vorbeugen können. Unsere Ernährung spielt hier eine zentrale Rolle. Sowohl das Risiko für antibiotikaresistente Keime als auch zukünftiger Pandemien wächst durch die industrielle Intensivtierhaltung enorm und könnte entsprechend minimiert werden, wenn die Tierhaltung um ein Vielfaches reduziert wird oder Fleisch und andere tierische Produkte zukünftig im Rahmen der „Cellular Agriculture“ (zellbasierte Landwirtschaft) unabhängig vom Tier produziert werden. Das ist keine Meinung, sondern ein Fakt, der allerdings so unangenehm für die Gesellschaft und den Status Quo ist, dass er medial deutlich zu wenig aufgegriffen wird. Das heißt nicht, dass die ganze Welt morgen vegan werden muss, aber der enorme Fleischhunger unserer wachsenden Weltbevölkerung führt zu einer noch nie dagewesenen Art der Tierhaltung. In diesem Ausmaß birgt das Risiken, für die zukünftige Generationen noch teuer bezahlen werden - finanziell ebenso wie mit ihrer Lebensqualität.

© Claudia Weingart

“Ich wünsche mir eine Förderung der EU auf vegane Produkte”

© Peter-Ludwig Pichler

Peter-Ludwig Pichler, Inhaber und Geschäftsführer der Pandemic Kitchen

Pandemic Kitchen – bei uns ist der Name Programm. 2020 haben mein Partner Kenan Koc und ich einen Lieferservice gegründet, der viel Auswahl für Veganer bietet, aber auch Omnivore nicht außen vorlässt. Mit einem rein veganen Angebot wären wir im Norden Wiens noch nicht überlebensfähig, dort fehlt einfach bisher die Zielgruppe für eine tierproduktfreie Ernährung. Wir wollen mit unseren farbenfrohen und geschmacklich herausragenden veganen Optionen aber dazu beitragen, dass sich das ändert. Und die Nachfrage ist da! Zuerst nur für den Lockdown gegründet, haben wir nun vor, die Pandemic Kitchen auch nach Corona weiterzuführen. Insbesondere die vielen positiven Bewertungen motivieren uns. Deswegen planen wir für 2021 auch ein eigenes, kleines, rein veganes Restaurant im ersten Wiener Gemeindebezirk. Denn der Trend der veganen Ernährung wird von den Österreichern immer häufiger gelebt. Da ich selbst Veganer bin, freue ich mich darüber, dass dieser Lebensstil langsam aber sicher in unserer Gesellschaft ankommt. Was ich mir noch wünschen würde: Eine Förderung der EU auf vegane Produkte, damit vegane Lebensmittel wie Fleischersatzprodukte endlich günstiger und damit für die breite Masse zugängig werden. 

“Wir freuen uns über jeden neuen Mitbewerber!”

Irene Schillinger, CEO der Swing Kitchen

Die Gründung der Swing Kitchen war für meinen Mann und mich ethisch motiviert eine Herzensangelegenheit, da es unser Ziel war und ist, möglichst viel Tierleid zu vermeiden. Dementsprechend sind wir über jeden neuen Anbieter veganer Alternativen am Markt und über jeden Mitbewerber froh. Veganismus ist aber auch ein riesiger ökologischer Hebel und insbesondere die Ernährung hat eine bedeutende Auswirkung auf unsere Erde. Deswegen setzen wir mit unserem Unternehmen auf stetiges Wachstum, denn jedes neue vegane Restaurant bedeutet, dass wir noch mehr Menschen mit unserer pflanzlichen Kost nicht nur konfrontieren, sondern auch von dieser als schmackhafte Alternative überzeugen können. Das gelingt uns auch richtig gut, denn ca. 80 Prozent unserer Gäste sind keine Veganer. Wir möchten mit jedem Bissen die Welt ein Stückchen besser machen, das ist unsere Philosophie. Unser Wunsch für die Zukunft wäre, dass unter der Begrifflichkeit „gesunde Ernährung“ auch der ökologische Aspekt mitberücksichtigt wird, nicht nur Kalorien, Fettgehalt, Zucker und Salz. Unsere Nahrungsmittel sollten auch „gesund“ für unsere Erde sein, denn wir haben nur diesen einen Planeten zur Verfügung. Wir möchten zu einem genussvollen Umdenken motivieren und es all unseren Gästen, egal ob Omnivore, Flexitarier, streng vegetarisch oder vegan Lebende, mit unseren pflanzlichen Burgern so einfach wie möglich machen, ihren ökologischen Fußabdruck zu verringern, ganz ohne auf irgendetwas verzichten zu müssen.

© Swing Kitchen

“Kunden mit speziellen Ernährungsgewohnheiten sind zu maßgeblichen Playern in der Branche geworden”

© easyVEGAN

Martin Jager, Geschäftsführer von easyVEGAN

Auf unserer Reise zu einem veganen Lebensstil forderte meine Freundin Cassandra und mich ein Gericht besonders heraus. Das waren die Burger. Damals gab es auf dem Markt einfach keine guten veganen Burgerpatties, nur labbrige Tofulappen in zwei Brothälften. Deswegen kreierte Cassandra auf Linsenbasis Burger-Laibchen, die dazu führten, dass wir uns mit einem rein veganen Foodtruck selbstständig machten. Nachdem der Andrang auf unsere Burger, nicht nur von Veganern sondern zu 90 Prozent von gewöhnlichen Gästen, so groß war, gründeten wir 2017 easyVEGAN, ein Produktionsunternehmen von rein pflanzlichen Lebensmitteln. Unser Fokus lag auf der Gastronomie, denn es gab kaum gastronomietaugliche Produkte am Markt, die schmeckten und gleichzeitig unkompliziert in der Zubereitung waren. Als wir 2019 die Möglichkeit hatten, bei der „Alles für den Gast“ im Start Up-Bereich auszustellen, bot sich für uns die perfekte Bühne, um den Gastronomen unsere Produkte näherzubringen. Vor Ort ließen wir Zweifler unsere Angebote verkosten und konnten diese davon überzeugen, dass Vegan nicht nur „gesund“ oder „Verzicht“ bedeutet, sondern auch wirklich lecker sein kann. Schlussendlich verhalf uns die Gastmesse zu einigen spannenden Kooperationen. Derzeit findet in der Gastronomie ein Umdenken statt und ich denke, für Betriebe ist es wichtig, zu verstehen, dass Kunden mit speziellen Ernährungsgewohnheiten zu maßgeblichen Playern in der Branche geworden sind. Denn in einer Gruppe wird auf das „schwächste Glied“ Rücksicht genommen, bedeutet, dass der Veganer häufig entscheidet, wo die ganze Gruppe essen geht. Für Betriebe geht es in Zukunft nicht darum, die ganze Karte auf Vegan umzustellen, sondern einfache Alternativen anzubieten. Ob ein Burger nun mit einem Fleisch- oder einem Linsenlaibchen belegt wird, macht für die Küche keinen Unterschied. Für den Gast aber vielleicht schon.

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