27.01.2021

Felix Hnat: „Damals habe ich über Veganer noch Witze gemacht“

Eigentlich liebte Felix Hnat, Obmann der Veganen Gesellschaft Österreich, Kärntner Speck und Würste. Warum er heute der Gastronomie hilft, mit pflanzlichen Speisen zu punkten.

Obwohl er viele Jahre seines Lebens Fleisch liebte, stellte Felix Hnat, Obmann der Veganen Gesellschaft Österreich, seine Ernährung nach einigen Schlüsselerlebnissen auf rein pflanzliche Lebensmittel um.
© Vegane Gesellschaft Österreich

Reed Exhibitions: Herr Hnat, warum haben Sie sich für einen veganen Lebensweg und für den beruflichen Werdegang als Obmann der Veganen Gesellschaft Österreich entschieden? 

Felix Hnat: Ich habe die ersten Jahre meines Lebens sehr gerne und sehr viel Fleisch gegessen. Kärntner Speck und Kärntner Würste habe ich geliebt und oftmals Salami ohne Brot gegessen. Über die Vegetarier und Veganer in meiner Klasse habe ich damals noch Witze gerissen. Anfang zwanzig hatte ich dann einige Schlüsselerlebnisse und bald begann ich mich ehrenamtlich bei der Veganen Gesellschaft zu engagieren. Währenddessen studierte ich Wirtschaft und heute ist die Vegane Gesellschaft Österreich der größte Umweltschutzverein des Landes mit Ernährungsschwerpunkt. Wir denken, dass alle Menschen frei entscheiden sollten, was sie essen wollen. Gleichzeitig wollen wir der Gastronomie auch neue Potenziale aufzeigen.
 

Reed: Was hat sich für Sie verändert, seitdem Sie sich 2001 für einen tierproduktfreies Leben entschieden haben?

Hnat: 2001 gab es in größeren Supermärkten drei Sorten veganen Aufstrich, Sojamilch für 2,80,- Euro und weißen Tofu. Als ich das erste Mal meine Cornflakes mit ungesüßter Sojamilch getrunken habe dachte ich mir: "Oh mein Gott Felix, was hast du dir da nur eingebrockt?". Heute bietet jeder Dorf-SPAR oder Dorf-Billa ein superbreites Produktangebot und sogar die Diskonter übertrumpfen sich momentan im Veganuary mit rein pflanzlicher Aktionsware. 
 

Reed: Finden Sie, befindet sich die vegane Bewegung auf dem richtigen Weg?

Hnat: Was sich in den letzten Jahren am veganen Markt abgespielt hat, hat meine kühnsten Träume übertroffen. Es gibt keinen Sektor in der Wirtschaft, geschweige denn in der Gastronomie, der so dynamisch gewachsen ist. Laut Statistik Austria sinkt der Fleischkonsum momentan jährlich um 1kg pro Person und Jahr und für 2020 wird es durch den Wegfall des Außer-Haus-Marktes sogar noch mehr sein. Die Zahl unserer Mitglieder als auch die Laufmeter im Supermarkt wachsen jährlich ca. um 25 Prozent und das seit über sieben Jahren. 2020 war sowieso ein Trumpfjahr - laut Nielsen sind z.B. in den USA während des ersten Lockdowns Sojamilchverkäufe um 400 Prozent hochgegangen. Wir freuen uns total, dass jetzt auch NÖN veganen Kakaodrink und Schärdinger Haferdrink anbieten. Der deutsche Fleischriese Rügenwalder Mühle verkauft inzwischen mehr vegane Schinkenspicker (eine Wurstsorte) als das Original aus Fleisch. Das muss man sich mal auf der Zunge zergehen lassen!
 

Reed: Was meinen Sie, können wir uns für die kommenden Jahre erwarten?

Hnat: Für die Zukunft erwarte ich mir ähnliche Wachstumsraten - treibende Kraft werden weiterhin die Flexitarier sein (also ca. 54 Prozent der Österreicher, die weniger Fleisch essen wollen). Beyond Meat will 2025 Preisparität erreichen und ab dem Zeitpunkt wird es Fleisch aus Tieren am Markt sehr schwer haben. Ich hoffe, dass auch die österreichische Landwirtschaft das Potenzial erkennt - heimische Hersteller wie Vegini sind händeringend auf der Suche nach lokalen Erbsenlieferanten. Mehr Zahlen zur Marktentwicklung gibt es auf unserem Blog.  
 

Reed: In der Gastronomie in Österreich wächst das vegane Angebot stetig. Wo sehen Sie noch Aufholbedarf?

Hnat: Im Supermarkt sind wir im europäischen Spitzenfeld, auch in der Gemeinschaftsverpflegung sind wir gut unterwegs, wie unser Ranking gezeigt hat. Bei den Restaurants sind wir auch sehr gut aufgestellt. Unsere Restaurantliste hat momentan knapp 660 veganfreundliche Listungen in ganz Österreich und es werden täglich mehr. Aufholbedarf sehe ich noch bei den Schihütten und im Tourismus. Man verschenkt Geld, weil die kaufkräftigen vegetarischen und flexitarischen Touris nur Pommes bestellen mangels Alternativen. 
 

Reed: Immer wieder gibt es Diskussionen, weil vegane Fleischersatzprodukte trotzdem Namen tragen wie „Würstel“ oder „Schnitzel“. Was ist Ihre Meinung dazu?

Hnat: Manche Veganer mögen keine Fleischalternativen, weil sie Ihnen zu fleischig schmecken. Ich z.B. liebe es jedoch, mir Weizenwürstchen oder einen Sojaburger anzubraten. Wir wissen von SPAR, dass 80 Prozent der Käufer von vegetarischen Produkten keine Vegetarier sind. Eine Umfrage hat gezeigt, dass es keinen einzigen Fall in Österreich gab, wo Leute irrtümlich Pflanzenfleisch gekauft haben, obwohl sie Fleisch kaufen wollten. Das bestätigt auch der VKI (Verein für Konsumenteninformation). Insofern ist es absurd, Veggieburger nun Bratscheibe nennen zu wollen. Das würde die Konsumenten erst recht verwirren.
 

Reed: Was halten Sie von veganen Fertigprodukten an sich?

Hnat: Ganz nüchtern betrachtet geht der Trend bei veganen Produkten in Richtung Convenience. Gut für die Konsumenten, schlecht für die Darmflora. Genau wie bei Produkten mit tierischen Zutaten, wären frisch gekochte Lebensmittel gesünder, aber Fertigprodukte haben in der Praxis gewisse Vorteile, auch im Einsatz in der Gastro. 
 

Reed: Vielen Dank für das aufschlussreiche Gespräch!  


Das Interview führte Jana Neugebauer, Content Managerin der "Alles für den Gast"

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