Die Zukunftskonzepte der Gastronomie

Mit Bobby Bräuer (Küchendirektor Käfer-Gastronomie in der BMW Welt Küchenchef 2-Sterne-Restaurant EssZimmer by Käfer in der BMW-Welt München), Philipp Stohner (Spitzenkoch / Dipl. Küchenmeister NQR6 / Präsident Tiroler Kochverband / Lehrgangsleiter Dipl. Küchenmeister Ausbildung), Mike Süsser (Kochbuchautor, Fernsehkoch und Unternehmer) und Anthony Sarpong (Inhaber von Anthony’s Kitchen & 1* Grünen Michelin)

Ist Fine Dining nachhaltig (und finanzierbar)? In einer Welt, die sich immer stärker auf nachhaltige Praktiken konzentriert, erörtern wir gemeinsam, wie Gastronom:innen diese Herausforderungen meistern können, gleichzeitig aber finanzielle Stabilität gewährleisten. 

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Fine Dining und die Rückführung der erhöhten Mehrwertsteuer

Bobby Bräuer ist davon überzeugt, dass sich das mittlere Preissegment der Gastronomie verringert und Gäste mehr oder weniger für ein auswärtiges Essen bezahlen werden. Zu unterscheiden gilt zwischen einer alltäglichen Mahlzeit und einem hochwertigen Menü, welches aus acht Gängen, einer Weinverkostung und ihrer Begleitung besteht, das pro Kopf "schnell 500,00 Euro" kostet. Bei einem Dinner for two ergeben das für einen schönen Abend 1.000 Euro. "Viel Geld", weshalb er zu verstehen gibt, dass Gastronomen "Bedenken" bezüglich der Entwicklung der Gastronomie äußern. Alle Teilnehmenden beklagen die mangelnde Wertschätzung des Fachbereichs, wobei ihre Kritik sich nicht auf Äußerungen ihrer Gäste bezieht, sondern auf die politische Entscheidung in Deutschland, die Mehrwertsteuer auf 19 Prozent anzuheben. Auf sieben Prozent wurde sie während der Covid-Krise gesenkt, um die Betriebe zu entlasten. Die Erhöhung führe keineswegs zu einem höheren Gewinn der Unternehmenden, sondern diene ausschließlich dem Steuerausgleich. Die Betreibenden sehen sich gezwungen, die Erhöhung um 12 Prozent anzupassen und die Gäste damit zu belasten. Ohnehin verursachte in der Vergangenheit die Inflation einen erheblichen Preisanstieg. Um das Personal zu sichern, entschieden sich Gastrom:innen zu einer Weitergabe und Umlegung der Kosten oder zur Schließung ihrer Betriebe.

Fehlende Fachkräfte und mangelnde Bereitschaft potenzieller Nachwuchskräfte

Philipp Stohner arbeitet viel mit jungen Menschen. In seinen Kochschulungen stellt er fest, dass viele von "Haus aus" keine Lebensmittellehre erhalten. Potenzielle Nachwuchskräfte wissen nicht, wie wichtig qualitative Waren sind, ihnen fehle das "Bewusstsein". Die Fähigkeit Lebensmittel richtig zu verarbeiten, ist einer der Hauptgründe, warum sich nicht jeder für Fine Dining eignet. Wenn von 20 Teilnehmenden eines Lehrgangs 13 keine Paprika zubereiten können, ist das "bedenklich". Ein weiteres Problem sieht er darin, dass die einseitigen negativen Berichterstattungen der Medien über die Branche viele Jugendliche erschrecke. Bobby Bräuer gibt zu bedenken, dass die Gastronomie vieles Positives biete. Er hebt die Internationalisierung des Fachbereichs hervor, die nicht in vielen Berufsfeldern vorhanden ist. Wer in Bayern lernt, muss nicht zwingend im Bundesland agieren. In den Nachbarstaaten bieten sich ebensolche guten Bedingungen, wie auf anderen Kontinenten. Anthony Sarpong führt ergänzend hinzu, dass viele junge Leute nicht über die Details der Gastronomie Bescheid wüssten, weil zu wenige Fachbetriebe sie dort abholen, wo sie sich aufhalten. Er betreibe viel Arbeit auf TikTok, einer Videoplattform, die vermehrt von Kindern und Jugendliche genutzt wird. Ihnen vermittelt er, wie "geil" die Branche ist und animiert die Zielgruppe, sich mehr mit dem Thema zu beschäftigen.

Nachhaltig in vielen Bereichen

Es gibt keinen Fachbereich, in dem Fachleute nicht über Nachhaltigkeit sprechen. Erneuerbare Energien, E-Fahrzeuge, Bildung, Reisen, Gastronomie. Nachhaltig einen Betrieb zu führen, beginnt für Bobby Bräuer damit, wo Waren eingekauft werden. Zu diesem Punkt gibt es eine interessante Handlungsschilderung von Anthony Sarpong, der erst kürzlich ein Bistro eröffnete, weil er sein Unternehmen nicht vom Fine-Dining-Angebot finanziert, sondern von den Angeboten im mittleren Preissegment. Zur nachhaltigen Unternehmensführung wählt er seine Handelspartner:in mit Sorgfalt aus, achtet auf die Qualität der Waren und verhandelt die Einkaufspreise individuell. Ein Konzept, mit dem er verhindert, die Preissteigerungen an die Gäste weiterzugeben und Leistungen im Personalbereich zu kürzen. Auch Philipp Stohner spürt den Kostenwandel. Er mahnt, das "Handwerk" nicht aufzugeben und rät "aus dem Produkt das Maximum herauszuholen" und nicht ausschließlich "Premium" einzukaufen, um Fine Dining zu bedienen. Das bedeutet, dass es Fachkräfte in der Branche gibt, die zu wenig aus Lebensmitteln gestalten und sich auf das Prädikat verlassen, welches Handelsbetriebe auszeichnet.

Herausforderungen in der Gastronomie

"Erstens hab ich die Weisheit nicht mit Löffeln gefressen", gibt Mike Süsser zu, er trage aber die "DNA Gastro". Die müsse jeder haben "um sowas Beklopptes mit 52 nochmal zu machen". Als TV-Koch und Experte der Gastronomie sieht er viele Herausforderungen auf die Branche zukommen. Nicht alleine die Küchen, auch Hotels und andere Fachbereiche werden davon betroffen sein. Sein Zukunftskonzept greift. Statt in einer Region anzubieten, was alle in der Küche vorweisen, wie Schnitzel, analysiert er in der Umgebung von 150 Kilometer die Situation. Sein Ziel ist es, den Gästen Außergewöhnliches anzubieten und Fine Dining zu dosieren. Keiner könne es sich leisten, ein solches Menü mehrmals in der Woche zu speisen, was den Sinn hochwertiger Angebote verwässert. Sein Team konzentriert sich auf spezielle Veranstaltungen in einer auf über 800 Höhenmeter gelegenen Location. Hier lädt er gerne einen Gastkoch ein, um den Besuchern ein außergewöhnliches Menü und Spektakel zu bieten.

Perspektiven in der Gastronomie

Nicht klagen, sondern sich den Herausforderungen stellen, ist für alle Anwesenden die Möglichkeit, die Hindernisse zu bewältigen. Nachhaltige Konzepte aufbauen und auf Erfahrungen zu vertrauen, bildet die Basis für eine erfolgreiche Zukunft.

Junge Menschen gilt es über die modernen Strukturen zu informieren, um das Interesse an dem Fachbereich zu wecken. Von den Medien wird verlangt, dass sie diesen Weg mitgehen und nicht einseitig negativ berichten.

Einkäufe sollten gezielt in der lokalen Umgebung getätigt werden, was auch das benachbarte Ausland einbindet, um die Vielfalt der Küche zu wahren. So lassen sich die Preise balancieren, ohne die Kostenreduktion im Betrieb für das Personal und die Gäste unnötig zu belasten.

Schlussendlich muss Fine Dining Luxus bleiben und nicht wie einfaches Essen behandelt werden. Unternehmen seien sonst gezwungen, mehrere Lokale zu führen, um qualitative und hochwertige Menüs anzubieten, aus denen sie keinen Gewinn erzielen und die Einnahmen nicht ausreichen, um einen Betrieb zu führen.