Mitarbeitende finden und binden

 Mit Vivien Schulter (Kulturwandlerin e.U.), Christian Klaus (General Manager, SO/Vienna), Christian Hollweck (Direktor Brauereigasthof Hotel Aying & Ayinger Bräustüberl; Geschäftsführer und Inhaber der SALVARIS-Agentur), Mike Rosbaud (Geschäftsführender Inhaber Studio 10 GmbH) und Andrea Weinzierl (Consultant bei ADA Cosmetics).

4-Tage- oder 30-Stunden-Woche, extra Urlaubstage, eine positive Unternehmenskultur und besondere Benefits: Gastronom:innen lassen sich viel einfallen, um Mitarbeitende für ihren Betrieb zu finden. Wie aber entwickelt man eine ansprechende Arbeitgebermarke und welche Maßnahmen zeigen tatsächlich Wirkung, um Fachkräfte zu finden und langfristig zu binden? Unsere Talkgäste teilen ihre Erfahrungen.

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Unternehmen im Tourismus entwickeln und erweitern Strategien, Menschen für die Branche zu begeistern. Potenzielle Mitarbeitende erhalten verschiedene Zusagen, die ihnen Weiterbildungen und einen Ausgleich zwischen Arbeitspensum und Freizeit garantieren. Fachkräfte verlangen humanitäre Bedingungen und legen viel Wert auf die Identifikation mit einem Betrieb. Sie bleiben nicht ihr gesamtes Berufsleben in einem Unternehmen tätig, wie passt das zusammen?

Wie sprechen Unternehmen im Tourismus Fachkräfte an?

Die Protagonisten zeigen, dass es nicht den idealen Einzelweg gibt, um gut gebildete Fachleute für das eigene Unternehmen zu gewinnen. Vivien Schulter von Kulturwandlerin e.U. spricht in diesen Zusammenhang die "positive Unternehmenskultur" an. Konkret geht es um die Wertschätzung eines Mitarbeitenden. Wer gute Ideen hat, soll sich einbringen, auch, wenn dem Vorgesetzten das missfällt. Betriebe müssen ihr Team fair entlohnen, wobei die Struktur der Qualifikationen entspricht. Ein wichtiger Faktor ist die Transparenz eines Unternehmens, welches im Tourismus agiert. Pläne gilt es frühzeitig mitzuteilen. Inhalte verständlich zu transportieren, ist ein Standardwert der heutigen Zeit. Wer so verfährt, wird geeignete Fachkräfte ansprechen und ein:e Kellner:in finden oder jemanden für die Rezeption. Grundsätzlich gilt das für alle zu besetzenden Positionen.

Christian Hollweck ist Direktor eines angesehenen Hotels und er spezifiziert das Finden eines geeigneten Mitarbeitenden. "Es kommt darauf an, wen man sucht" und er meint damit, dass sich die junge Generation nicht mehr die Tageszeitung am Kiosk kauft, um einen Job zu finden. Sondern auf den sozialen Plattformen unterwegs ist und zwischen lustigen Katzenvideos auch für Arbeitsangebote empfänglich wäre, würden sich mehr Betriebe entscheiden, den Weg einzuschlagen. Für die kurzfristige Suche nach einer Aushilfe bedienen sich Unternehmen der Branche lokaler Blätter. Ein wichtiges Instrument ist die gesprochene Empfehlung eines Teammitgliedes. Irgendjemand kennt einen Freund oder die Cousine benötigt Geld, um ihr Taschengeld für das Studium aufzubessern. Für Arbeitgebende ist das eine kostengünstige Variante neues Personal einzustellen. In letzter Instanz gibt es die klassische Arbeitsagentur, wobei sich Vermittlungsagenturen speziell auf die Vermittlung von Fachkräften für Kurzaufträge fokussieren.

Andere gehen direkt auf Fachkräfte zu. Sie besuchen Fachschulen und stellen sich und das Unternehmenskonzept vor, um sich mit Nachwuchskräften auszutauschen. In einigen Fällen sprechen sie über Kontakte Facharbeitende an und unterbreiten ihnen ein Angebot. Häufig stellen Unternehmende fest, dass das wahllose Einstellen von Personen zu toxischen Situationen in den Betrieben führt. Experten warnen davor, ohne ausführliche Gespräche Bewerber:innen einzustellen, die eventuell nicht ins Team passen, um die Position zu besetzen. Es ist sinnvoller das aktuelle Personal zu bitten, für einen befristeten Zeitraum die Arbeit der zu besetzenden Stelle zu übernehmen und für den Mehraufwand einen finanziellen Ausgleich zu garantieren.

Wie entwickeln Unternehmen im Tourismus ihr Personal?

Ausgebildete Fachkräfte beabsichtigen in der aktuellen Zeit häufiger sich weiterzubilden. Grundsätzlich steht es Arbeitnehmenden zu, auf eigene Kosten an Schulungen teilzunehmen. Die Unterrichtszeiten müssen sich mit den Arbeitszeiten vereinbaren lassen und dies ist ein Kernproblem einiger Betriebe der Branche.

Der Schweizer Christian Klaus, der als General Manager in Wien tätig ist, meint, dass "wenn wir ihnen (den Mitarbeitenden) die Modelle geben, damit sie es ausleben können" werden sie das annehmen. In dem Zusammenhang empfehlen erfahrene Personen der Branche, die Kosten der Weiterbildung zu übernehmen. Modelle braucht es für die Aufteilung zwischen Beruf und Bildung als auch für Beruf und Freizeit. Grundsätzlich sind Weiterbildungen in zwei Kategorien einzuteilen:

1. Grundwerte der Zusammenarbeit

Dem Personal sind Werte der Gemeinschaft zu vermitteln, Werte des Unternehmens, Respekt gegenüber Teammitgliedern, Einblicke in die Konzeptentwicklung, weil sie das Vertrauen zwischen Arbeitgebenden und Arbeitnehmenden stärkt und wie sie sich in die Prozesse mit ihren Fähigkeiten einbringen.

2. Fachkräfte nach Kompetenzen ausbilden, nicht nach Positionen

Weil eine Stelle im Unternehmen frei ist, heißt das nicht, dass es eine Person gibt, die sie ausfüllt, wenn sie angelernt oder ausgebildet wird. Jeder Mensch ist mit Stärken und Schwächen gesegnet. Schwächen nutzen Unternehmende gerne aus, um Angestellten ihre Fähigkeiten abzusprechen. Das sind veraltete Muster, die aus den Köpfen der Handelnden herausmüssen. Wer einen Mitarbeitenden nach seinen Fähigkeiten fördert, erhält ein kompetentes Mitglied, welches sich stärker mit dem Unternehmen und seiner Position identifiziert.

Andrea Weinzierl bringt es auf den Punkt: "Wir können Mitarbeiter:innen weiterbilden, auf dem Sektor, wo wir glauben, dass sie Bedarf an Wissen haben" und setzt auf die Erweiterung bestehender Fähigkeiten.

Mike Rosbaud von Studio 10 GmbH gibt zu bedenken, "dass ich ein Team schaffe, dass miteinander arbeitet", weil hohe Bildung alleine, reicht nicht aus, um die Betriebsziele im Tourismus zu erreichen. Jeder Betrieb kann über die besten Fachkräfte der Welt verfügen und überdurchschnittliche Kenntnisse vorweisen, was sich kontraproduktiv auswirkt, wenn alle Narzissten sind.

Hotels, Restaurants und alle anderen Betriebe der Branche, die mehrere Mitarbeitende einstellen und führen müssen, benötigen eine:n Trainer:in im Team. Einen Coach wie im Fußball, der die Menschen liest und ihre Stärken erkennt und sie anschließend auf die richtigen Positionen verteilt. Es geht nicht alleine um den Berufsabschluss. Noch gibt es viele junge Menschen, die eine Ausbildung absolvieren, weil ihre Eltern es verlangen, sie falsch beraten wurden oder sie mit ihrer eigenen Entscheidung daneben lagen. Unternehmen müssen sich mehr mit ihrem Personal beschäftigen.

Kaum jemand bleibt für immer

Heute bleiben selten Mitarbeitende, die das gesamte Berufsleben in einem Betrieb abhängen. Zu viele Angebote ermöglichen Fachkräften ihre Wahl neu zu treffen, ungeachtet, wie lange sie im Unternehmen tätig sind. Der Fachkräftemangel wird anhalten und fortan sind die Arbeitgebenden angehalten, sich frühzeitig auf einen Wechsel einzustellen. Die Zeichen eines Abschieds zu erkennen und zu reagieren. Mit einem verbesserten Angebot, um die Person zu binden oder Gespräche mit nachfolgenden Fachkräften zu führen, um einen reibungslosen Übergang zu gewährleisten.

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