Vielfältige Lehrausbildung in der Gastronomie: Vegan ist nur der Anfang

Mit Haya Molcho (Gastronomin und Unternehmerin, NENI), Eduard Dimant (Eigentümer Mochi), Peter Dobcak (Fachgruppenobmann Gastronomie Wirtschaftskammer, Fachgruppe Wien) und Siegfried Kröpfl (Gastronomie Consulting Seminare/Kochkurse/Gastro Konzepte Schwerpunkt Vegan).

Die Branche kämpft mit dem Fachkräftemangel. Hoffnungsträger: der Nachwuchs! Lehrlinge dürfen derzeit in Österreich jedoch nur in Restaurants mit rein österreichischer Küche ausgebildet werden. Unsere Talkgäste besprechen mögliche Lösungen und neue Wege für die österreichische Gastro-Ausbildung, um junge Menschen wieder für die Branche zu begeistern. 

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Das Grundproblem im österreichischen Ausbildungswesen für die Gastronomie, so schält sich rasch heraus, ist die Fixierung auf österreichische Küche für die Auszubildenden; hier natürlich, in erster Linie, in der Ausbildung der Nachwuchsköche. Eduard Dimant versteht nicht, wieso er behördlicherseits keine Lehrlinge ausbilden darf, nur weil die Küche seines Etablissements Mochi auf japanische Küche ausgerichtet ist. Dieses Verbot thematisierte Herr Dimant schon vor der Veranstaltung in der Öffentlichkeit, es treibt ihn um, ist er doch auf die Anwerbung externen Personals angewiesen, statt sich selbst Fachleute für sein kulinarisches Fachgebiet heranzubilden. Haya Molcho pflichtet dem bei. Sie plädiert für den Wandel, es könne ja nicht sein, dass die Gesetze erst nach hundert oder zweihundert Jahren mal angepasst würden. Sie sieht dahinter eine Grundangst vor Veränderung, vor dem Neuen, vor dem Fremden. Dies müsse überwunden werden, da ist die althergebrachte Bestimmung, dass Kochlehrlinge nur in österreichischer, heimischer Küche ausgebildet sein dürfen, keine Ausnahme. Denn es stehen mit der Moderne unzählige neue Entwicklungen bevor, die vegane Küche ist nur eine davon. Darauf muss man sich einstellen.

Von den kreativen Einfällen, die Vorschriften auszulegen

Es ist schon ein bisschen grotesk, was Eduard Dimant aus seinen Erfahrungen zu erzählen weiß. So versuchte man bei Mochi, durch Umbenennungen japanischer Gerichte zu Gebilden mit österreichischen Menü-Begriffen wie Toraga als 'Backhendl' und Tonkatsu als 'Wiener Schnitzel' die Vorgabe zu erfüllen, wonach im Lehrbetrieb österreichische Küche dargeboten werden muss, um ausbilden zu dürfen. Und dennoch wurde behördlicherseits abgelehnt. Dabei könne der oder die Auszubildende doch hier gleichermaßen Grundfertigkeiten erlernen wie das Filetieren von Fisch, das Zerlegen von Huhn, oder Zubereiten von Suppen, Salaten, das Ansetzen von Dressings und Mayonnaise, und so weiter. Der Vorwurf an die gesetzliche Seite mit dem Primat der heimischen Küche ist natürlich eine Steilvorlage, um sich damit direkt an eine:n Vertreter:in der staatlichen Ordnung zu wenden.

Die staatliche Vorgabe versteht sich als Qualitätssicherung

Und so leitete die Moderation die Frage sogleich an Peter Dobcak in der Runde weiter, der sich ja als Fachgruppenobmann der Wirtschaftskammer für die Gastronomie mit solchen Regelungen des Lehrauftrags zu beschäftigen hat. Herr Dobcak zeigt sogleich Verständnis für die Kritik und die Haltung von Herrn Dimant und von Frau Molcho, die bemängeln, dass die Kochausbildung auf österreichische Küche fixiert sei und keine anderen gastronomischen Konzepte Raum erhielten. Aber er stellt auch sicher, dass Grunderwartungen an eine absolvierte Lehre gewisse Inhalte garantieren müssen, und das sei als Grundgerüst eben die österreichische Küche. Denn die zu beherrschen werde erwartet, wenn ein Neuling nach Abschluss irgendwo eine Anstellung suche. Dann müsse man sich auf das Vorhandensein dieser beruflichen Grundlage verlassen können. Der Gesellenbrief als gelernter Koch oder Köchin sei eben ein Zertifikat, das mit garantierten Inhalten untermauert werden müsse, das könne nicht mit beliebigen Inhalten, je nachdem, in welcher Nische der Lehrling gelernt habe, ersetzt werden, ohne das Zertifikat auszuhöhlen.

Es werde aber an Möglichkeiten gedacht, nach Abschluss der Lehre (auf der Basis österreichischer Küche) Zusatzausbildungen für all diese Spezialküchen mit ihren ethnischen Richtungen zu ermöglichen. Auch eine rein vegane Küche wird somit als folgende Spezialisierung denkbar. Herr Dobcek verweist an das Wirtschaftsministerium als Urheber dieser Regeln, aber dort sei durchaus erkannt worden, dass ein Bedarf für neue Lösungen entstanden ist und etwa eine Möglichkeit für die Ausbildung zur Köchin oder zum Koch explizit veganer Küche geschaffen werden müsse, gerade für Wien, wo es die meisten vegetarischen Lokale gibt. Und man müsste auch noch die Gewerkschaft einbringen. Hier haben viele mitzureden, um eine einvernehmliche Regelung zu schaffen, die alle befürworten.

Ein langer vergeblicher Kampf um Anerkennung - und eine neue Hoffnung

Siegfried Kröpfl bekennt, dass er seit nunmehr acht Jahren für die Anerkennung der veganen und vegetarischen Küche als Ausbildungsinhalt gekämpft habe. Diese Initiative musste er aus Frust auf Grund der vielfachen Widerstände, die in den Weg gelegt werden, wieder in der Schublade verschwinden lassen. Im letzten Jahr dann sei mit Peter Dobcak im Verbund endlich ein Neuversuch möglich geworden und man arbeite sich jetzt erneut an diesem Herzensanliegen ab, sei aber mit mehr Zuversicht erfüllt als zuvor. Es sei lächerlich, dass eine neue, vielseitige Ausbildung noch nicht zugelassen wäre und "herumgeeiert" werde. Die internationale Küche gehöre doch schon selbstverständlich zum Berufsbild, das könne auch noch die vegane oder pflanzliche Küche vertragen. Wenn es Schwierigkeiten gibt, Berufsschulen mit so vielen neuen Fachrichtungen aufzusetzen, könne man ja wieder bündeln und an einem zentralen Ort mit Unterbringung für die Lehrlinge arbeiten. Könnte jeder Betrieb (unabhängig von seiner Küchenausrichtung) ausbilden, hätten wir folglich auch mehr Lehrlinge, und der Fachkräftemangel würde verringert.

Kochen bedeutet künstlerische Tätigkeit und Offenheit für alles Neue

Haya Molcho verweist auf das vielfältige Kochpersonal, das sie schon für NENI Restaurants gewinnen konnte, und welches aus der Levante (östlicher Mittelmeerraum) und aus Indien stammte. Darunter Kräfte, die ursprünglich als Flüchtlinge gekommen waren und auch nicht unbedingt eine reguläre Ausbildung durchlaufen haben. Da ist es wichtiger, dass sie sich als Künstler verstehen und nicht einfach nur eine Arbeit wie jede andere machen, auf die Uhr sehen, und zu einer bestimmten Zeit die Schürze hinwerfen und gehen. Wer in der Gastronomie arbeitet, muss den Beruf lieben und als Kunst ausüben, der- oder diejenige muss auch die Leidenschaft haben, weiterzulernen und sich weiterzuentwickeln. Molcho verweist auf sich selbst, sie koche noch täglich, eben weil sie es so mag - sonst hätte sie etwas anderes gemacht und wäre nicht hier. Siegfried Kröpfl stimmt dem lebhaft zu und bekennt, auch mit seinen 65 Jahren und langer Tätigkeit als Coach noch ständig dazuzulernen. Die wirklichen Topleute der Branche kommen nach seiner Meinung ja gar nicht aus den eigentlichen Berufsschulen, sondern aus den Tourismus-Schulen und Fachschulen, die man früher als "Knödelakademien" abgetan hat, da hätten sich die Dinge wesentlich verändert. Sogar als Quereinsteiger:in gibt es Möglichkeiten.

Von den Vorzügen praktischen Wissens und der Ausbildung "für die Masse"

Eduard Dimant schließt sich an mit seinen Zweifeln am Lehrinhalt gängiger Praxis, worin er unnötige Dinge sieht, die eher in einen Geschichtsunterricht gehören. Die praktischen Kenntnisse, die in der Küche dagegen wirklich gebraucht werden, werden vernachlässigt, stattdessen weiß man dann "wo das Schnitzel herkommt". Herr Dimant lässt weitere Dinge folgen, die das illustrieren sollen. Frau Molcho verrät ihre Art, herauszufinden, ob jemand als Köch:in taugt. Sie lädt die Person zu sich nach Hause ein und lässt sich etwas vorkochen, was dem:der Bewerber:in liegt. Dann sieht sie schon, ob er oder sie mit Liebe und Leidenschaft bei der Sache ist, oder nur ein Programm abspult. Als Könner kann die Person dann ruhig auch nur Quereinsteiger:in sein. Auf Herrn Dimants Lob der Praxis und sieben Lernjahre im Ausland erwidert Peter Dobcak, dass die Aufgabe des Lehrbetriebs sei, nicht nur Spitzenköch:innen hervorzubringen, sondern 66.000 Gastronomie-Betriebe im ganzen Land mit befähigtem Personal zu beschicken. Darauf müsse man sich einstellen im Lehrinhalt. Ganz gewöhnliche Gastwirtschaften auf dem Lande bräuchten ihren Nachwuchs, und der müsste beherrschen, was in diesen Betrieben gefragt sei. Ob der Betrieb sich dann weiterentwickeln und neue Türen zu ausgefallenen kulinarischen Richtungen auftun wolle, etwa durch Besuch von Weiterbildungs-Lehrgängen einer Spezialitätenküche, sei dann seine Entscheidung, aber in der breiten Masse ist das eben nicht der Fall. Und man müsse für alle die Grundlage bieten.

Umkehrung, Wandel - oder ist da wirklich zu wenig Praxisanteil?

Siegfried Kröpfl schlägt vor, die Ausbildung vielleicht mal umgekehrt anzudenken und anzulegen, indem erst mit der Gemüsezubereitung und pflanzlichen Sachen (also vegane Küche) angefangen würde, und es würde sich darauffolgend ein Lehrgang zum Umgang mit tierischen Produkten anschließen. Liefe es wie jetzt weiter, etwa mit einem angehängten veganen Ausbildungsjahr nach der Grundlehre, so befürchte er, würden doch wieder viele junge Leute abwinken und fernbleiben. Haya Molche beschwört noch einmal die Notwendigkeit der Innovation und Weiterentwicklung. Sie erinnert sich, wie sehr auf fleischliche Kost fixiert die österreichische Küche vor 45 Jahren war, als sie hier ankam, etwa zur Zeit von Kanzler Kreisky und der UNO - und ihr Mann war damals schon Vegetarier. Im Vergleich zu damals habe sich zum Glück schon viel positiv verändert, die Küche wurde internationaler, die Beengtheit schwand, und so müsse es weitergehen.

Der Obmann der Fachgruppe Gastronomie Dobcak verwehrt sich an dieser Stelle doch etwas gegen die Unterstellung, die Praxis käme in der Ausbildung zu kurz. Tatsächlich würde 50 Prozent der Ausbildung praktisch durchgeführt, nach drei Jahren Lehre oder mit Matura (Berufshochschulreife) sechs Jahren würde schon gesichert, dass die Absolvent:innen über praktische Fertigkeiten im Beruf verfügten, und nicht nur Schultheorie. Er würde sich wünschen, dass Lehrbetriebe häufiger überprüft und gecheckt würden, ob sie ihre Inhalte überhaupt richtig vermitteln. Da sieht er, aus Sicht der Wirtschaftskammer, ein Problem. Auch die Auszubildenden für den Service bräuchten mehr Möglichkeiten ausgebildet zu werden, unabhängig von der Küchenausrichtung des Betriebs, der anfangs erwähnten "ethnischen Richtung".

Partikularwünsche und die Bedürfnisse an der Basis

Ein Wunsch von Eduard Dimant für die Zukunft wäre, dass eine Lehre unter günstigen Begleitumständen verkürzt werden könnte, sowie um wechselnde Aufenthalte in verschiedenen Betrieben, statt immer in demselben zu verbleiben, angereichert würde. Auch durch Auslandseinsatz. Ein:e Auszubildend:e würde dadurch vielseitiger, würde letztendlich mehr Geld verdienen können und schneller aufsteigen. Auch hier muss Peter Dobcak mit Verweisen auf die breite Masse an Gastronomie-Betrieben bremsen und gibt zu bedenken, dass sich das die meisten Familien nicht leisten können, ihre Sprösslinge zur Ausbildung in der Welt herumzuschicken. Es läuft für ihn darauf hinaus, dass die Bedürfnisse in der Masse andere sind als im Spitzensegment, und Gehör finden müssen. Zudem muss für eine neuartige vegane Ausrichtung der Kochlehre erst einmal ein Berufsbild erstellt werden, zusammengetragen von Fachleuten der Branche, mit dem Ergebnis eines Leitbildes, wie es in der späteren Ausbildung dann maßgeblich würde.

Wie wäre es mit Lebensmittelkunde als Hauptfach?

Ein Besucher stellt alsdann, dazu aufgefordert, eine Zwischenfrage: Kann der Lehrinhalt nicht umgebaut werden zu einer Art Lebensmittelgrundausbildung, in der Art, dass die Behandlungsmethoden zu jedem einzelnen Lebensmittel zuerst vermittelt werden, unabhängig jetzt von einer österreichischen oder japanischen Küche? Das würde den Fokus auf nationale Küchen und selbst zur Unterscheidung zwischen tierischem und veganem Kochen aufheben und den Vorrang rein praktischer Verarbeitungsmethoden stärken. Herr Dobcak antwortet darauf, dass ein Berufsbild so erst mal steht und nicht jedes Jahr verändert wird. Es gibt ein gewisses konservatives Element, das sich aus dem Zusammenwirken von vielen Köpfen und Interessen so ergibt, mit "Falken und Tauben", und einem goldenen Kompromiss dazwischen. Jedoch ist die Warenlehre und der Umgang mit einzelnen Lebensmitteln durchaus schon in der Grundausbildung enthalten. Die Flexibilität zu Inhalten ist an Fachschulen größer als an Berufsschulen, die Gastgeberfachschule am Judenplatz (in Wien) hat da unter Entwurf von Siegfried Kröpfl schon einiges zum Thema Vegan bewirkt.

Die Runde endet mit einem Aufruf zu mehr Mut zur Veränderung, weniger bürokratischen Hürden und der Aufforderung, auch als Berufsschüler:in den eigenen Erwartungen an den Beruf mehr Nachdruck zu verleihen, "für eure Rechte zu kämpfen", wie Frau Molcho mit ihrem Temperament formuliert.