Quo vadis, Gastronomie? Eine Zukunftsaussicht

Mirko Silz ist CEO bei FR L'Osteria SE und versorgt die Follower seines LinkedIn-Profils regelmäßig mit Insights in seinen Arbeitsalltag und seine Meinung zu aktuellen Geschehnissen in der Gastronomie. 

© L'Osteria

Bar ohne Namen

Entschlossen verweigert sich Savage, der Bar einen Namen zu geben. Stattdessen sind drei klassische Design-Symbole das Logo der Trinkstätte in Dalston: ein gelbes Quadrat, ein rotes Viereck, ein blauer Kreis. Am meisten wurmt den sympathischen Franzosen dabei, dass es kein Gelbes-Dreieck-Emoji gibt. Das erschwert auf komische Weise die Kommunikation. Der Instagram Account lautet: a_bar_with_shapes-for_a_name und anderenorts tauchen die Begriffe ‘Savage Bar’ oder eben ‚Bauhaus Bar‘ auf.

 

Für den BCB bringt Savage nun sein Barkonzept mit und mixt für uns mit Unterstützung von Russian Standard Vodka an der perfekten Bar dazu.

 

 

 

 

Corona erweist sich weiterhin als unberechenbar. Mirko Silz, CEO bei FR L'Osteria SE, wirft in einem Update zu den Gastronomie-Trends 2021 einen Blick in die Glaskugel.

Text von Mirko Silz, CEO bei FR L’Osteria SE 

Es ist jetzt etwas mehr als drei Monate her, da blickte ich auf das vor uns liegende Jahr und die Trends der Gastronomie. Neun Monate Pandemie lagen hinter uns. Die Anzeichen, dass sich einige Dinge bessern würden, waren da. Nun, drei Monate später, hat sich 2021 – mal wieder oder auch immer noch – durch Corona weiterhin als unberechenbar erwiesen. Warum also nicht doch noch einmal in die Kristallkugel schauen und bewerten, was passiert?
 

Ein kurzer Rückblick

Wer sich nicht mehr daran erinnert, in meinem erstem Ausblick Anfang Januar hatte ich bereits klare Vorstellungen geäußert, wie die Pandemie die Gastronomie verändern wird. Ich sprach über die Aufteilung in Onsite und Offsite, die das Erlebnis Ausgehen auf der einen Seite und die Food Experience daheim oder unterwegs auf der anderen Seite sah. Ich warf einen Blick auf den stark wachsenden Delivery-Markt, die mit einem Plus von 54 Prozent zum Vorjahr durch die jüngsten Umsatzzahlen bei Lieferando bestätigt wurden. Ich sah aber auch eine schwierige wie auch reizvolle Zeit für die Gastronomie voraus, in welcher der Verlust der einen, der Gewinn der anderen werden würde. Etwa der Verlust von vielen geliebten Restaurants in den beliebten Lagen, die nicht mehr durchhalten konnten, dafür aber regelrechte Filetstücke von Immobilien für den Markt frei machen, wenn man denn das unternehmerische Risiko eingehen mag, sich – ausgerechnet jetzt – in die Gastronomie einzubringen.

Doch in diesen sich schnell drehenden drei Monaten kamen bereits so viele neue Aspekte hinzu, dass ich meinen Ausblick um ein paar weitere Facetten ergänzen möchte, um sie mit euch zu diskutieren.
 

Die Krise als Chance zur Neu(er)findung

Ja, ich weiß. Nach einem Jahr Pandemie kann niemand die unsägliche "In jeder Krise steckt eine Chance"-Leier mehr hören. Man muss allerdings auch anerkennen, dass durch Corona viele Prozesse angeschoben wurden, die sonst nie überdacht worden wären. Mit einem Mal weht die Digitalisierung von Systemen wie ein frischer Windstoß durch die Szene. Die Zwangspausen wurden für längst geplante und nun vorgezogene Renovierungen genutzt. Immer in der Hoffnung, dass man das geliebte Publikum im neuen Glanz begrüßen dürfte. Und wieder andere haben ihre Geschäftsmodelle überarbeitet und sich – gezwungenermaßen – in puncto Unternehmertum neu erfunden. Plötzlich war die Bereitschaft für eigene Lieferdienste da, um Fahrradkurierflotten aufzubauen oder eigens gebrandete Autos auf die Straßen zu schicken. Online-Shops wurden aus der Taufe gehoben, um eigene, neue Produkte wie Kochboxen, Rezeptbücher oder Merchandising zu vertreiben. Steile These meinerseits: Wäre 2020 ein normales Jahr wie jedes andere gewesen, dann wäre vieles davon nie passiert.

Aber was soll andererseits daran gut sein, dass im ersten Halbjahr 2020 bereits über 1.000 Insolvenzen in der Gastronomie verzeichnet wurden? Zu diesem Zeitpunkt war die Pandemie mit Auftreten und ersten Beschränkungen zu Mitte März des letzten Jahres noch nicht ansatzweise so ein Schlag ins Kontor der vielen, wie es im März 2021 der Fall ist. Mir persönlich graut es vor den nächsten Zahlen, wenn klar wird, wie viele schöne Plätze wir verloren haben werden. 
 

Reservierungen, Hygieneregeln, Tests: Der neue Dreiklang der Gastronomie

Mit den gestarteten Impfungen und den Überlegungen zu möglichen Öffnungen wird es eine Spaltung der Gesellschaft geben. Jene, die geimpft sind und wieder ein ansatzweise normales, vertrautes Leben leben wollen, und jene, die nicht geimpft sind.

Ob sie nicht wollen, können oder dürfen, spielt dabei nur bedingt eine Rolle. Was ich allerdings sagen kann, ist, dass es schwierig werden wird. Niemand wird noch länger als nötig auf etwas verzichten, dass man wieder haben könnte. Warum also auf den Besuch im Restaurant, der Bar, dem Café oder Hotel verzichten, wenn ich doch sicher bin?

Für Gastronomien, die auf dieser Basis wieder eine Anlaufstelle für ihre Kundschaft sein möchten, ist der Ausblick verlockend. Bald werden die Temperaturen steigen. Die Außenflächen könnten wieder genutzt werden. Da wäre das Ansteckungsrisiko schon deutlich geringer. Für alle, die ihre Innenflächen wieder öffnen, wäre der neue Dreiklang der Gastronomie die oberste Priorität: Besuch drinnen nur mit Reservierung, unter Einhaltung der Hygieneregeln, die wir Gastronominnen und Gastronomen ohnehin schon mit Bravour erfüllten, und einer durchdachten Teststrategie. Dabei müssen wir als Unternehmen Verantwortung für unsere Angestellten, deren Familien und unsere Gäste übernehmen. Es liegt sowohl in unserer sozialen Verantwortung gegenüber der Gesellschaft als auch in der jedes Einzelnen. 
 

Wir in der Gastronomie übernehmen eine Verantwortung, die die Behörden nicht leisten können, uns aber auferlegen

Ich sprach es eben schon an: Die Gastronomie befindet sich in einer schwierigen Lage. Wer bis hierhin durchgehalten hat, wird alles tun, um es jetzt zu schaffen. Auch wenn es bedeutet eine weitere Extrameile zu gehen, als es die Hygieneregeln im Frühjahr, Sommer und Herbst 2020 von uns verlangten. Nur um dann doch einige Monate lang währenden Riegel vorgeschoben zu bekommen. Was man jetzt – auf ein Neues oder eben neu – innerhalb von Hygienekonzepten von uns fordert, werden wir tragen. Weil es keine andere Möglichkeit mehr gibt. 
 

Digitalisierung hält Einzug: Gästenachverfolgung

Angefangen bei der Gästenachverfolgung. Was im letzten Jahr für viele noch eine regelrechte Zettelwirtschaft war, wird nun verbessert. Wir bei FR L’Osteria SE setzen zum Beispiel auf das Reservierungs-Tool Aleno, dass wir bereits vor Corona eingeführt hatten. Das Feedback der Behörden zur Nachverfolgung war sehr gut. Aktuell prüfen wir, ob eine Schnittstelle von Aleno zu einer entsprechenden Nachverfolgungs-App, beispielhaft die Luca- oder Comein-App, sinnvoll und umsetzbar wäre. Wünschenswert wäre auch hierbei eine bundesweit einheitliche Regelung.
 

Wir arbeiten an einer internen Teststrategie

Ein weiterer wichtiger Punkt sind Teststrategien, die sowohl für die Mitarbeiter wie auch unsere Gäste gelten. Wir arbeiten gerade an einer internen Teststrategie und planen, unseren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern bundesweit Selbsttests zu Verfügung zu stellen. Zudem wird es klare Leitlinien und Hilfestellungen zum Umgang mit den Tests geben. Nur wer negativ und absolut gesund ist, kommt mit unseren Gästen in Kontakt.
 

Maske, Abstand, Lüftungsanlage

Gleichzeitig werden die geltenden AHA-Regeln weiter eingehalten. In allen L’Osteria Restaurants gilt eine Maskenpflicht für alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Wir setzen – wie so viele in der Gastronomie – auf die zugelassenen medizinischen OP-Masken. Zudem setzen wir auf unsere leistungsstarken Lüftungsanlagen, welche die Raumluft in regelmäßigen Abständen austauschen und Frischluft zuführen.
 

Arbeitssicherheit, Hygiene, neue Tools: Wir schulen unser Personal

Doch dabei bleibt es nicht. Wir bieten wiederholte, explizite Schulungen für unser Personal, damit sie bei der Wiedereröffnung allen Ansprüchen und Vorsorgemaßnahmen gerecht werden. Dabei geht es nicht nur darum, operative Abläufe wieder aufzufrischen, sondern auch nochmals verstärkt auf Themen wie Arbeitssicherheit, Hygiene und neue Tools/Abläufe beispielsweise im Zusammenhang mit der Gästenachverfolgung einzugehen.
 

Sind Impfung und Schnelltest echte Hoffnungsträger?

Bleiben die zwei großen Hoffnungen: Impfungen und Schnelltests für die Gastronomie. Angesichts der aktuellen Entwicklungen um Impfstoffe und die Vergabe von Impfterminen wird deutlich, wie komplex bis unverständlich die Regularien sind.

Niemand kann genau sagen, wann wir alle die erste Impfung erhalten haben werden, geschweige denn durchgeimpft sind. Hier auf eine zeitnahe Sicherstellung der Herdenimmunität zu setzen, halte ich für mehr als vage. 

Die Schnell- und Selbsttests hingegen sind ein wichtiger Baustein für Öffnungsstrategien. Hierbei ist die Gastronomie selbst gefordert, denn es wird keine einheitliche Lösung durch Bund und Länder geben. Kreativität und Eigeninitiative von uns Gastronomen sind gefragt.

 

Verantwortung muss von den Schultern der Gastronomen genommen werden!

Doch wer trägt die Kosten? Auch hier liegt das unternehmerische Risiko einmal mehr bei den Gastronominnen und Gastronomen.

Wenn verschiedene Bundesländer und Kreise (z.B. Potsdam, Rheinland-Pfalz, Augustusburg) aber darüber nachdenken, Gastronomiebesuche mit negativem Selbsttest und unter Berücksichtigung des Inzidenzwertes und der Hygiene- sowie Abstandsregelungen zu erlauben, dann ist es ein Risiko, das viele tragen werden. Es braucht all diese Maßnahmen und Verantwortung, die übernommen werden muss. Zwar lassen sich ein Teil der Kosten über die Überbrückungshilfen III wieder zurückführen, jedoch unter Berücksichtigung der normalen Förderhöchstgrenzen, was wiederrum zur Ungleichbehandlung führt. In unserem konkreten Fall würden wir nur 60 Prozent der Kosten erstattet bekommen – hier muss die Politik nach meiner Ansicht nochmals etwas nachschärfen.
 

Spiegelbild der Gesellschaft

Und soweit ich es von Kolleginnen und Kollegen weiß, tun es uns viele gleich und teilen diese Gedanken und Absichten. Wir alle hoffen darauf, dass wir mit dem größtmöglichen Entgegenkommen allen Entscheidungsträgerinnen und -trägern ein Zeichen geben können, dass wir bereit sind. Wir wollen wieder den sozialen, umgänglichen und lebensbejahenden Teil der Gesellschaft darstellen und zusammenbringen, wie es nur die Gastronomie mit Speis, Trank und Beisammensein kann. Schließlich sind wir die kommunikative Theke und das Spiegelbild der Gesellschaft.

"Restaurant Business ist People's Business." – Mit dieser Überzeugung ist Mirko Silz seit knapp 30 Jahren in der Systemgastronomie tätig. Nach Stationen bei McDonald's, Vapiano und Coa wurde er 2016 CEO bei L‘Osteria. Sein Ziel, laut eigenen Angaben: Den europaweiten Rollout der Marke vorantreiben, dabei aber niemals die Menschen als Mittelpunkt ihres Tuns aus den Augen verlieren. Die Mitarbeitenden und Kunden stehen im Fokus und das wollen Mirko Silz und die L’Osteria jeden Tag mit der Idee der „La Famiglia“ in ihren 120 Restaurants in acht Ländern aufs Neue beweisen. 

Zuerst veröffentlicht auf LinkedIn