„Verlängerter Lockdown wirkt in Hotellerie wie Brandbeschleuniger!“

Michaela Reitterer, Präsidentin der ÖHV und selbst Hotelierin, sprach mit uns über den Zickzack-Kurs der Regierung
© Reed Exhibitions Österreich/Sebastian Datzreiter

Bar ohne Namen

Entschlossen verweigert sich Savage, der Bar einen Namen zu geben. Stattdessen sind drei klassische Design-Symbole das Logo der Trinkstätte in Dalston: ein gelbes Quadrat, ein rotes Viereck, ein blauer Kreis. Am meisten wurmt den sympathischen Franzosen dabei, dass es kein Gelbes-Dreieck-Emoji gibt. Das erschwert auf komische Weise die Kommunikation. Der Instagram Account lautet: a_bar_with_shapes-for_a_name und anderenorts tauchen die Begriffe ‘Savage Bar’ oder eben ‚Bauhaus Bar‘ auf.

 

Für den BCB bringt Savage nun sein Barkonzept mit und mixt für uns mit Unterstützung von Russian Standard Vodka an der perfekten Bar dazu.

 

 

 

 

Michaela Reitterer, Präsidentin der ÖHV und selbst Hotelierin, war in den letzten Monaten Krisenmanagerin und Feuerwehrfrau, wenn es wo gebrannt hat. Das war gefühlt täglich der Fall. Mit uns sprach sie über die erneute Verlängerung des Lockdowns und ihren eigenen Herzschmerz als Gastgeberin während Corona.

Michaela Reitterer ist Präsidentin der Österreichischen Hoteliervereinigung und außerdem Geschäftsführerin des Boutiquehotels Stadthalle in Wien. Seit Monaten macht sie aktiv in der Öffentlichkeit auf die weiterhin fehlende Planbarkeit in der Branche aufmerksam und kämpft für Hilfsmaßnahmen für die Hotellerie. Nun, kurz nach Verkündung der erneuten Verlängerung des Lockdowns für Gastronomie und Hotellerie bis Ende Februar haben wir mit ihr darüber gesprochen, wie sie den Zickzack-Kurs der Regierung im Bereich der Corona-Maßnahmen sieht und wie es ihr ganz persönlich als Gastgeberin mit der Situation geht. 

Reed Exhibitions: Hallo Frau Reitterer, Danke, dass Sie uns in der aktuellen Zeit für Frage und Antwort zur Verfügung stehen. Erst hieß es, am 18. Januar könne man sich freitesten, ein Vorschlag, der schlussendlich von der Opposition boykottiert wurde. Danach stand der 25. Januar als Ende des dritten Lockdowns im Raum. Nun wurde dieser erneut bis vorläufig Ende Februar verlängert. Was halten Sie von dieser Entwicklung?

Michaela Reitterer: Der erhoffte erste Schritt zurück in Richtung Normalität wurde wieder verschoben. Das ist natürlich bitter. Leider hat es sich durch die Entwicklung der Mutationen und der nicht sinkenden Zahlen abgezeichnet. Gleichzeitig ist es ein schwerer Schlag für die Branche, vor allem die Hotels, die nur im Winter geöffnet haben – für diese Betriebe ist die Saison zu Ende, denn das Öffnen Ende Februar ist keineswegs sicher. Mitte Februar wird das weitere Vorgehen evaluiert.

Corona hat uns gelehrt auf Sicht zu fahren, dennoch brauchen die Betriebe Planbarkeit. Anstelle von einem speziellen Datum wäre es sinnvoller Benchmarks und Richtwerte für Neuinfektionen und für die Auslastung der Spitalskapazitäten heranzuziehen, an denen wir, unsere Mitarbeiter, unsere Gäste und unsere Zulieferer sich orientieren können.
 

Reed: Was bedeutet die erneute Verlängerung des Lockdowns für die Betriebe?  

Reitterer: Der Zickzack-Kurs beim Lockdown kostet nicht nur Nerven sondern auch bares Geld. Jede Woche Lockdown kostet Hotels und Gastronomie durchschnittlich rund 455 Millionen Euro, in der Hochsaison wie jetzt dann beispielsweise im Februar noch deutlich mehr. Jede Verschiebung bedeutet, dass man den Einsatzplan der Mitarbeiter neu gestalten muss, Gäste umbuchen, Lieferantentermine neu ausmachen – das zieht einen ganzen Rattenschwanz mit sich, der jetzt auf den ersten Blick nicht per se offensichtlich ist. 
 

Reed: Bei dem vielen Hin und Her der Regierung kann man es Betrieben nicht verübeln, der Zukunft gegenüber langsam aber sicher pessimistischer eingestellt zu sein. Wie ist es bei Ihnen? Rechnen Sie damit, dass es sich bei der aktuellen Verlängerung des Lockdowns um den voraussichtlich erstmal letzten handeln könnte und die Hotellerie Ende Februar wieder öffnen darf?

Reitterer: Ich kann es nur hoffen, glaube im Moment aber noch nicht daran. Wir haben aber auch gesehen, was sich in zwei Wochen alles ändern kann. Hoffen wir, dass sich die Auswirkung der Impfung in den kommenden zwei Monaten wirklich zu Buche schlägt. Wann wir öffnen ist noch völlig unklar. Sollte es Mitte März sein, haben wir dann in den vergangenen zwölf Monaten sieben Monate total geschlossen gehabt und ein Monat fast geschlossen, das war der Oktober, wo Wien auf der deutschen Liste der Reisewarnungen stand. Also ein komplett verrücktes Jahr.
 

Reed: Reichen die aktuellen Hilfsmaßnahmen? Wenn nein, was benötigt die Branche Ihrer Meinung nach momentan am dringendsten von der Regierung?

Reitterer: Das kann man nicht so pauschal beantworten. Manche werden mit Umsatzersatz und Fixkostenzuschuss durch die Krise tauchen können. Für andere reicht es definitiv nicht. Das Geschäft in den Städten ist seit Ausbruch der Pandemie zum Erliegen gekommen. Besonders hart hat es auch die großen Häuser und Ketten getroffen. Die Hilfen, die es bis dato gegeben hat, waren da oftmals nur ein Tropfen auf dem heißen Stein. So wie es momentan ausschaut, braucht es neue Hilfsvehikel auf europäischer Ebene für genau jene Betriebe, die es besonders hart getroffen hat. Daran wird kein Weg vorbeiführen.
 

Reed: Im Gespräch ist ja auch ein mögliches „Reintesten“ nach Lockdown-Ende für Hotels oder Kulturveranstaltungen. Kann das Ihrer Meinung nach für die Hotellerie tatsächlich funktionieren? Und wenn ja, wie? 

Reitterer: Die Hotellerie hat gezeigt, dass sie alles, was in den letzten Monaten von ihr erwartet wurde, umsetzen konnten. Sie war ja auch im vergangenen Sommer komplett safe. Da der Zeitpunkt der Öffnung noch nicht feststeht, traue ich mir hier keine Aussagen zu machen, was bis dahin alles passieren wird.
 

Reed: Verlassen wir kurz Ihre Rolle als ÖHV-Chefin. Sie sind ja auch selbst praktizierende Hotelierin und Geschäftsführerin des Boutiquehotels Stadthalle. Wie geht es Ihrem Hoteliersherz wirklich?

Reitterer: Das schmerzt, und wie! Ich bin Gastgeberin aus Leidenschaft, ich liebe den Kontakt und Umgang mit meinen Gästen und natürlich meinem Team. Genau deshalb mache ich den Job und das fehlt mir aktuell ungemein. In den letzten Monaten war ich Krisenmanagerin und Feuerwehrfrau wenn es wo gebrannt hat – und gefühlt war das in der Regel täglich der Fall. Die erneute Verlängerung des Lockdowns wirkt in der Hotellerie wie ein Brandbeschleuniger! Ich hoffe, dass wir uns mit intensivem Testen, Tracen und Impfen schrittweise wieder in Richtung Normalität bewegen können und ich zu dem zurückkehren kann, was ich gern mache und liebe – mich um meine Gäste kümmern.


Reed: Wie hoch war Ihr Umsatzverlust mit Ihrem Hotel im Jahr 2020?

Reitterer: Knapp 75 Prozent, also richtig viel...


Reed: Wie sieht derzeit ein klassischer Arbeitstag bei Ihnen aus? Und was tun Sie, um ab und zu den Kopf frei zu bekommen? 

Reitterer: Ich telefoniere gefühlt Tag und Nacht. Einerseits mit Menschen aus der Politik, von denen ich Informationen zu aktuellen Maßnahmen erhalte und an die ich die Bedürfnisse, Probleme und Forderungen der Hotellerie herantrage, in dem Bemühen, gemeinsam Lösungen zu entwickeln und Unterstützung für die Branche zu erhalten. Alle Fakten kommuniziere ich permanent an unsere Mitglieder. Andererseits rufen mich tagtäglich viele Kollegen an um mir ihr Leid zu klagen und ich höre zu. Dieser Austausch ist mir sehr wichtig, nur so erhalte ich einen Überblick über die aktuelle Situation der Hoteliers und kann mich in meiner Kommunikation mit der Regierung klar positionieren. 
 

Reed: Und was tun Sie, um ab und zu den Kopf frei zu bekommen? 

Reitterer: Nach dem ersten Lockdown, der für mich wirklich einer der arbeitsintensivsten war, habe ich für mich beschlossen, regelmäßig Sport zu machen. Das ziehe ich seitdem auch tatsächlich fünf Tage die Woche durch und es tut mir gut. Manchmal führe ich sogar Telefonate, während ich jogge! Durch den Sport kann ich abschalten und habe mehr Energie für meine langen Arbeitstage. 
 

Reed: Was ist Ihr persönlicher Tipp für Kolleginnen und Kollegen aus der Hotellerie, wie ein eventuelles Wiederhochfahren nach Ende dieses Lockdowns trotz weiterhin fehlender Planbarkeit gelingen kann?

Reitterer: Das Einzige, was man wahrscheinlich allen raten kann, ist den Blick nach vorne zu richten. Es wird wieder bergauf gehen, das Chaos hat ein Ende. Auch wenn es manchmal den Anschein hat, dass es im Schneckentempo voran geht, es wird besser. Davon bin ich überzeugt. Warten wir auf das tatsächliche Ende des Lockdowns. Bis dahin sind wir mit unseren Mitgliedern in permanenten Austausch und Kontakt um ihnen die besten Fakten zu liefern. Wie ich immer so schön sage: G’jodelt wird erst beim hamgeh’n.
 

Reed: Denken Sie, dass die Gäste im Jahr 2021 wieder ihrer Reiselust frönen können? Oder rechnen Sie im Laufe des Jahres mit einem erneuten Lockdown? 

Reitterer: So sehr ich es mir wünschen würde, ausschließen kann man einen erneuten Lockdown natürlich nicht. Dennoch sollte unser erstes Ziel ein Leben mit Corona, nicht nach Corona sein. Der Schlüssel dazu ist ein enges Netz aus Testen, Tracen und Impfen. Wenn Mitarbeiter und Gäste gesund sind, sollte weder einem Urlaub, einem Restaurantbesuch oder einem Abend im Theater etwas im Wege stehen.

 

Das Interview führte Jana Neugebauer, Content Managerin der “Alles für den Gast”