Die Bar im Restaurant: Wie lautet das Erfolgsrezept?

Bar ohne Namen

Entschlossen verweigert sich Savage, der Bar einen Namen zu geben. Stattdessen sind drei klassische Design-Symbole das Logo der Trinkstätte in Dalston: ein gelbes Quadrat, ein rotes Viereck, ein blauer Kreis. Am meisten wurmt den sympathischen Franzosen dabei, dass es kein Gelbes-Dreieck-Emoji gibt. Das erschwert auf komische Weise die Kommunikation. Der Instagram Account lautet: a_bar_with_shapes-for_a_name und anderenorts tauchen die Begriffe ‘Savage Bar’ oder eben ‚Bauhaus Bar‘ auf.

 

Für den BCB bringt Savage nun sein Barkonzept mit und mixt für uns mit Unterstützung von Russian Standard Vodka an der perfekten Bar dazu.

 

 

 

 

„Restaurant und Bar“ – diesen Zusatz tragen viele gastronomische Konzepte. Doch tatsächlich trifft diese Bezeichnung in den seltensten Fällen zu: ein paar nette Drinks auf der Karte vielleicht ja, aber eine wohl kuratierte Bar eher nein. Langsam ändert sich das: Immer mehr treffen sich Restaurant und Bar auf Augenhöhe. Doch was sind die Kriterien dafür, damit das Hybridkonzept erfolgreich funktioniert? Jan-Peter Wulf hat sich in Köln und Berlin umgehört. 

„Du brauchst unbedingt eine hohe Produktqualität“
Mohammad Nazzal, „Al Salam“, Köln 

Das „Al Salam“, ein Restaurant-Bar-Pionier? Absolut, stimmt Mohammad Nazzal zu: „Wir waren mit die ersten, die mit Fokus und Konsequenz Cocktails in einem Restaurant gemacht haben.“

Das Restaurant gibt es schon seit 1986. Nazzals Eltern haben es seinerzeit eröffnet, Mohammad und sein Bruder arbeiteten schon als Jugendliche mit und übernahmen schließlich den Traditionsbetrieb, den sie bis heute führen. Als seine Eltern ihn Anfang der Nullerjahre fragten, ob er mehr Verantwortung übernehmen wolle und in welchem Bereich, sei seine Antwort schnell da gewesen: „Klar, an der Bar!“ Die gerade aufblühende Barkultur der Stadt hatten er und sein Bruder bereits erkundet und kennen gelernt, vor allem das „Shepheards“ unter der damaligen Führung von Attila Kiziltas und Barmanager Mirko Gardelliano beeindruckte sie. „Es gab eine prägende Begegnung: Mirko händigte mir hunderte Seiten Ausdrucke mit der neuen Barkarte aus – damit ich selbst verstehe, wie so eine Barkarte aussehen kann.“ Und so schrieb man die erste richtige Barkarte für das „Al Salam“, in dem es vorher lediglich Drinks der Kategorie Campari mit Orangensaft (immerhin!) gegeben hatte.

Stichwort Saft

Frische, hausgemachte Säfte nutzte man für die großenteils orientalisch angehauchten Drinks dabei von Anfang an. „Wenn du eine Küche hast, die alles frisch macht, dann musst du das einfach tun“, so Nazzal. Auch fiel die Entscheidung: Wenn es nun schon eine Bar gibt, dann soll diese auch der Küche helfen – Zitrusfrüchte zum Beispiel wurden deshalb auch für die Kollegen am Herd gleich immer mitgepresst. „Gin in richtig guter Qualität hatten wir auch von Anfang an“, erinnert sich Nazzal an die Zeit, in der man sich noch vor dem großen Wacholderbrand-Hype befand, zurück. 

Mohammad Nazzal entwickelte das "Al Salam" in Köln zum echten Restaurant-Bar-Pionier.
© Al Salam

© Al Salam

Drinks mit Balance und dezenter Aromatik: Sie sollen zum Essen funktionieren

„Wir sind ein Restaurant mit Bar, nicht umgekehrt“, erklärt Nazzal und meint damit: Food first. Die Cocktails werden so gemixt, dass sie trotz ihrer aromatischen Zutaten wie Lavendel als Infusion, Maskara-Kirschkonfitüre, Rosenblüten, Kardamom oder Safranhonig, um nur einige zu nennen, balanciert und dezent bleiben – sie sollen auch direkt zum Essen selbst getrunken werden. „Und das werden sie mehr als Wein. Wir geben den Gästen gerne Empfehlungen, welche Drinks zu welcher Speise korrespondieren“, so Nazzal, der auch 1. Vorsitzender der Sektion Nordrhein-Westfalen der Deutschen Barkeeper-Union (DBU) ist und sich sehr für die Modernisierung des Berufsverbands engagiert.

Mit der langen Erfahrung von Cocktails im Restaurant, was kann er der Speisengastronomie, die sich Drinks stärker öffnen will, raten? „Unbedingt eine hohe Produktqualität. Als Restaurant hat man eine zusätzliche Rechtfertigung zu liefern: Warum sollte der Gast ausgerechnet hier Cocktails trinken? Und das Thema muss passen. Orientalische Drinks sind bei uns der Topseller“ erklärt er – die eigene Karte hat er gerade selbst um 50 Prozent auf die Kernkompetenz reduziert, Klassiker bekommt der Gast auf Wunsch dennoch gemixt, wie in jeder guten Bar. „Man braucht eine Handschrift und muss sich treu bleiben.“

„Du musst ein Allrounder sein und dich in Aperitif und Digestif reinfuchsen“
Andreas Andricopolous, Golvet Berlin

Seiner Handschrift bleibt auch die Bar des Berliner Restaurants „Golvet“ am Potsdamer Platz treu – In dem mit einem Michelinstern gekrönten Restaurant gibt es Drinks mit Schwerpunkt Aquavit  Die Dank Corona lange Zwangspause nutzt man, wie in vielen Betrieben, für einige bauliche Anpassungen, für Food-Popups und für einen Premium-Abholservice im Erdgeschoss. Der neue Küchenchef Jonas Zörner übernahm das Zepter von seinem vorherigen Chef Björn Swanson, an Bord geblieben ist Barchef Andreas Andricopolous, er ist seit dem Start des ambitionierten Gastroprojekts vor dreieinhalb Jahren dabei. Seine Bar befand sich bislang im Eingangsbereich der weitläufigen Fläche, nun ist sie direkt vor der großen Terrasse – mit traumhaftem Blick auf die Skyline Berlins. „Das hatten wir schon vor Corona geplant“, berichtet er.

Andreas Andricopolous, Barchef des Golvet in Berlin
© Golvet/40 Seconds

Die neue Bar des Golvet mit ihrem Blick auf die Skyline Berlins kann sich sehen lassen!
© Golvet/40 Seconds

Bartender im „Golvet“ arbeiten auch im Restaurant-Service mit

Die neue Karte erschien im Oktober. Aperitifkultur spielt dabei eine große Rolle – die Gäste im „Golvet“ trinken zwar durchaus auch Cocktails zu den mehrgängigen Menüs, besonders aber vor dem Essen. „Viele, die uns zum ersten Mal besuchen, checken uns sogar richtig ab: Die setzen sich erstmal nur an die Bar, trinken und bestellen eine Kleinigkeit zu essen, und reservieren dann für einen anderen Tag einen Tisch“, berichtet Andricopolous. Das Arbeiten als Bartender im Restaurant sei facettenreicher als in einer Bar, erklärt er: „Du musst viel mehr ein Allrounder sein. Du arbeitest eng mit dem Küchenteam zusammen, entwickelst Dinge mit diesem zusammen, teilweise tauschen wir im Menü ja auch mal einen Drink oder eine Spirituose gegen einen Wein aus.“ Und mehr noch: „Du hilfst aber auch, zumindest hier bei uns, auch im Restaurant mit. Ich kenne die Karte genau, kann Speisen empfehlen und gebe sie auch mit aus“, berichtet er. So lernen die Gäste am Platz, wenn sie noch nicht an der Bar waren, „ihren“ Bartender des Abends kennen – und setzen sich später vielleicht noch zu ihm an den Tresen. „Auf jeden Fall muss man sich als Bartender im Restaurant mehr in das Thema Aperitif und Digestif reinfuchsen: Cognac, Wermut, Geiste und Brände spielen bei uns eine deutlich größere Rolle als in einer klassischen Bar." 

„Abschnitte aus der Küche werden an der Bar weiterverwendet“:
Jules Winnfield, Bonvivant Cocktail Bistro Berlin
 

Cocktails und vegetarische Küche mit regional-saisonaler Ausrichtung – diese besondere Kombination gibt es im „Bonvivant Cocktail Bistro“ im Stadtteil Schöneberg. An der Ecke Goltzstraße/Pallasstraße, Eingang zu einem charmanten, von Gastronomie geprägten Kiez, haben Jules Winnfield und Te An Nguyen vor gut einem Jahr ihren Betrieb eröffnet. Zuvor leiteten die beiden einen Club am Potsdamer Platz. Dass sie praktisch zwei Standbeine haben – Food und Beverage – hilft ihnen, sich auf die in der vielzitierten „neuen Normalität“ veränderte Gästebedürfnisse anzupassen. „Während der wenigen Monate im Sommer, in denen wir offen haben durften, lag unser Fokus mehr auf Essen. Früher wurde es hier auch schon mal trubelig und spät, doch auf Grund von Corona war die Stimmung der Menschen einfach nicht so ausgelassen. Viele wollten nach dem Essen bald nach Hause“, berichtet Jules Winnfield. Was er nachvollziehen kann. Denn alle Mitarbeiter trugen, wie es die Vorgaben vorsehen, Mundschutz, auch der Bartender – das diente der Sicherheit, aber eben nicht der Ungezwungenheit. Weniger wichtig geworden ist Cocktailkultur in dem bunt designten Cocktailbistro damals dennoch nicht: Getränke wie die „Marmelada“ mit zwei Sorten Rum, chinesischem Baiju, Quitte, Kokos, Honig und Kürbiskern oder der „Bloody Thomas“ mit Tequila, Rosa Pfeffer, Limette, Agave und Rote Bete zeugen von der mixologischen Ambition, die man zusammen mit der Bartenderin Yvonne Rahm (2018 deutsche „World Class“-Gewinnerin und mittlerweile nach Portugal ausgewandert) auf die Bahn brachte.

Auch im „Bonvivant“ arbeiten Küche und Bar Hand in Hand – Beispiel Rote Bete: „Wenn Abschnitte in der Küche übrigbleiben, werden sie püriert, gefiltert und für Drinks weiterverwendet“, berichtet Winnfield. Aus Pastinakenresten der Speisenproduktion – ein weiterer Zero-Waste-Ansatz – werden leckere Chips, die zu den Drinks serviert werden.

Jules Winnfield und Te An Nguyen kombinieren im Bonvivant Cocktail Bistro vegetarische Küche mit köstlichen Cocktails.
© Jan-Peter Wulf

© Jan-Peter Wulf

© Jan-Peter Wulf

Eigene Tabelle fürs Pairing von Speisen und Drinks

Es gibt sogar eine digitale Tabelle, in der niedergeschrieben wird, welche Pairings sich anbieten. „Unsere Speisekarte ändert sich wöchentlich, wir arbeiten sehr saisonal. In die Tabelle tragen wir ein, welche Speisen und Zutaten zu welchen Drinks passen.“ Oder ob sich Mixturen im Verhältnis zur Speise als zu süß, zu sauer oder zu stark erweisen. Dann wird angepasst. „Wir haben jetzt ein Jahr und somit alle Saisons einmal durch, da hat man den Dreh langsam raus“, sagt Winnfield lachend. Trotz langen Lockdowns und strengen Hygienevorgaben – unterkriegen lassen wollen sich die Macher des „Bonvivant Cocktail Bistro“ ganz gewiss nicht.

Adressen:

Al Salam, Hohenstaufenring 22, 50674 Köln, www.al-salam.de
Golvet, Potsdamer Straße 58, 10785 Berlin, www.golvet.de
Bonvivant Cocktail Bistro, Goltzstraße 32, 10781 Berlin, www.bonvivant.berlin


(Original erschienen: Bar Convent Berlin)